Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 23.5.2013 – Az 2 Sa 540/12 – ein Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Trier bestätigt, wonach einem Arbeitnehmer bei unzulässiger Videoüberwachung am Arbeitsplatz Schmerzensgeld zusteht. In der Berufungsverhandlung vor dem LAG wurde über die Höhe des Schmerzensgeldes verhandelt.
Schmerzensgeld für Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Der Arbeitnehmer (Kläger) machte vor dem ArbG Trier einen Anspruch auf Schmerzensgeld, i.H.v. 650 € geltend. Der Grund hierfür sei eine unzulässige Videoüberwachung seines Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber (Beklagte), die zu einem Überwachungsdruck mit psychosomatischen Folgen geführt habe. Da der Kläger diese Folgen aber nicht ausreichend darlegen und beweisen konnte, sprach das ArbG ihm nur Schmerzensgeld für den „immateriellen“ Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 GG) zu. Dagegen legte der Kläger vor dem LAG Berufung ein und wollte eine zusätzliche Schmerzensgeldzahlung aufgrund der körperlichen Beschwerden. Dies wurde erneut, mangels Nachweis durch den Kläger, abgewiesen. Ferner wurde das Schmerzensgeld aufgrund des „immateriellen“ Eingriffs bestätigt.
Die Beklagte begründete ihre Ablehnung der Ansprüche damit, dass die Videoüberwachung zur Diebstahlsicherung zulässig sei. Des Weiteren kam es bereits zu einem Diebstahl auf dem Firmengelände. Das ArbG und das LAG folgten der Ansicht des Klägers, nach der die Videoüberwachung mehr Bereiche als notwendig erfasse (u.a. den Arbeitsplatz des Klägers) und somit unverhältnismäßig sei.
Allgemeines Persönlichkeitsrecht ist Grundlage für Schmerzensgeldanspruch
Arbeitnehmer erfahren somit einen weiteren Schutz bei unzulässiger Videoüberwachung. Einen Anspruch auf Schmerzensgeld sehen die Gerichte bereits in dem nicht gerechtfertigten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 GG). Etwaige körperliche Beschwerden, z.B. Bauchschmerzen aufgrund des Überwachungsdrucks, müssen nicht hinzukommen. Vielmehr führen sie zu einer Erhöhung des zu zahlenden Schmerzensgeldes, wenn sie vom Kläger nachgewiesen werden können. Die Gerichte stellen dabei auf einen Eingriff nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG (Recht am eigenen Bild) ab. Auf die Rechtsgrundlage für Schadensersatz aus materiellem(!) Schaden, § 7 BDSG, gehen die Gerichte nicht ein. Zwar ist der Anspruch auf Schmerzensgeld wegen unzulässiger Videoüberwachung nicht ausdrücklich normiert, wie bspw. bei einer unzulässigen Datenerhebung durch öffentliche Stellen (§ 8 Abs. 2 BDSG). Aufgrund der Verknüpfung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht kann ein solcher Anspruch aber nicht ausgeschlossen sein, so die Gerichte.
Zugesprochenes Schmerzensgeld variiert deutlich
Die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes bei „immateriellen“ Eingriffen variiert momentan sehr stark. Sie reicht von hier 650 € bis zu 25.000 € (ArbG Iserlohn, Az. 3 Ca 2636/07) – höhere Ansprüche aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen sind hiervon nicht erfasst gewesen und daher durchaus möglich. Wo sich die Ansprüche einpendeln werden ist momentan nicht absehbar, da sich der Anspruch grundsätzlich nach der Intensität des Eingriffs richtet. Arbeitgeber sollten daher ihre (geplante) Videoüberwachung datenschutzrechtlich prüfen lassen, zumal Arbeitnehmer und Gerichte in datenschutzrechtlichen Aspekten immer sensibler werden. Eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz kann z.B. nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) i.V.m. § 4 BDSG zulässig sein, muss aber den Vorgaben der §§ 4, 28, 32 BDSG genügen.